Instanzgerichte Entscheidungen


Beurkundungspflicht des Hausvertrages bei konkret bezeichnetem, aber vom Bauherrn noch nicht erworbenen Grundstück

Im November 2004 hat die 5. Kammer des Landgerichts Berlin folgende Entscheidung verkündet:

Bei einem Bauvertrag über die Errichtung eines Hauses auf einem in dem Bauvertrag konkret bezeichneten, von dem Auftraggeber noch nicht erworbenen Grundstück ist in der Regel davon auszugehen, dass der Bauvertrag und der Grundstückskaufvertrag miteinander "stehen und fallen" sollen. Auch der Bauvertrag bedarf daher der notariellen Beurkundung gemäß § 311b Abs. 1 BGB

LG Berlin, Urteil vom 25.11.2004 - 5 O 220/04

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern aufgrund eines Bauvertrages die Zahlung der ersten Rate als Abstandssumme wegen der Nichtdurchführung des Vertrages.
Unter dem 31. Oktober 2003 übersandte die Klägerin den Beklagten zu 1. und 3. ein Angebot über die Errichtung eines Wohnhauses in X und eine mit "Angebot" überschriebene Aufstellung der Kosten für das 550 qm große Grundstück Nr. 4 im Baugebiet Y in X.

Mit schriftlichem "Hausauftrag" vom 07. November 2003 der die Geltung der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vorsieht, beauftragten die Beklagten die Klägerin mit dem Bau dieses Zweifamilien-Massivhauses im Baugebiet Y zu einem Festpreis von 216.036,00 €. Die Nr. 4 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin lautet wie folgt:

"4. Vereinbarte Zahlungen
Der vereinbarte Gesamtpreis ist prozentual, entsprechend dem Richtmaß des Baufortschrittes, wie folgt zu zahlen:
1. Rate: 5 % vom Gesamtpreis nach Stellung des Bauantrages bzw. der Bauanzeige.
Bei K
ündigung des Vertrages durch den Bauherrn vor Baubeginn gilt der Betrag der 1. Rate als Abstandssumme für bereits geleistete Vorarbeiten. ..."

Zur Durchführung des Bauvorhabens planten die Beklagten den Erwerb des Grundstücks Nr. 4 im Baugebiet Y von der Sparkasse S . Kurz nach Abschluss des Bauvertrages teilten die Beklagten der Klägerin mit, dass das Bauvorhaben nicht mehr durchgeführt werden solle, da die Finanzierung gescheitert sei. Daraufhin begehrte die Klägerin mit Rechnung vom 26. November 2003 die Zahlung der ersten Rate in Höhe von 10.801,80 € als Abstandssumme für bereits geleistete Vorarbeiten.

Mit Schriftsatz ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 10. Dezember 2003 ließen die Beklagten den Bauvertrag anfechten und erklärten vorsorglich den Rücktritt vom Vertrag.
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Die Beklagten behaupten, nachdem der Geschäftsführer der Klägerin ihnen - unstreitig - kurz vor Abschluss des Vertrages mitgeteilt hat,
der Vertrag müsse unverzüglich unterschrieben werden, da sie sonst keine Eigenheimzulage mehr erhalten würden, habe der Geschäftsführer ihnen gegenüber erklärt, im Falle des Rücktrittes vom Vertrag würden ihnen keine Kosten entstehen.

Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Abstandssumme in Höhe von 10.801,80 € aus dem als Anspruchsgrundlage einzig in Betracht kommenden § 631 Abs. 1 BGB, da der Bauvertrag jedenfalls gemäß §§ 311 b Abs. 1, 125 BGB nichtig ist.

Es kann daher dahinstehen, ob die in der Nr. 4 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene Vergütungsvereinbarung eine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB darstellt und daher nicht Vertragsbestandteil geworden ist, o
b der Vertrag aufgrund der wahrheitswidrigen Mitteilung des Geschäftsführers der Beklagten über die Erforderlichkeit des kurzfristigen Vertragsschlusses zum Zwecke des Erhalts der Eigenheimzulage erfolgreich gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung von den Beklagten angefochten worden ist, und ob die Beklagten schon aufgrund einer Zusicherung des Geschäftsführers der Klägerin zum kostenfreien Rücktritt von dem " Hausvertrag " berechtigt sind.

Der Vertrag vom 07. November 2003 ist jedenfalls nichtig, da er gemäß § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung bedurft hätte. Ein Bauvertrag, der kein Grundstücksgeschäft beinhaltet, ist dann notariell zu beurkunden, wenn er mit einem Grundstücksvertrag rechtlich zusammenhängt, wenn nämlich die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander "stehen und fallen" sollen (BGHZ 78, 346, 349; OLG Köln NJW-RR 1996, 1484; OLG Hamm NJW-RR 1995, 1045). Auch wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und der andere Partner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt, kann ein einheitlicher Vertrag vorliegen (BGHZ 78, 346, 349). Ein besonders starkes Indiz für einen solchen Einheitswillen der Parteien ist dann gegeben, wenn die Leistungspflicht des Werkunternehmers auf ein bestimmtes Grundstück beschränkt ist (BGH NJW 1994, 721, 722).

Der von den Parteien geschlossene Hausvertrag vom 07. November 2003 und der von den Beklagten beabsichtigte Kauf des Grundstücks Nr. 4 im Baugebiet Y in X sollten miteinander stehen und fallen. Denn das Haus sollte auf einem genauer bezeichneten Baugrundstück errichtet werden, und für die Klägerin war zweifelsfrei ersichtlich, dass die Durchführung des Bauvorhabens für die Beklagten von dem Erwerb des konkret bezeichneten Grundstücks abhängig war. Diesen Einheitswillen hat die Klägerin zumindest hingenommen; denn sie ist ihm trotz Erkennens nicht entgegen getreten. Vielmehr hat die Klägerin - ausweislich der Seite 1 ihres Angebotes vom 31. Oktober 2003 - das Angebot gerade "für Ihren geplanten Wohnhausneubau in Y unterbreitet. Auf der Seite 3 ihres Angebotes wirbt die Klägerin damit im Neubaugebiet X bis auf zwei Projekte alle Wohnhäuser erstellt zu haben. Der Kontakt zwischen den Beklagten und der Klägerin ist auch gerade über die Eigentümerin des von den Beklagten zu erwerben beabsichtigten Grundstücks zustande gekommen. Mit dem Angebot bezüglich des Hausneubaus übersandte die Klägerin gleichzeitig eine mit "Angebot" überschriebene Aufstellung der Kosten des Grundstücks und der Erwerbsnebenkosten. Die Aufstellung endet mit dem Hinweis der Klägerin, für Rückfragen gerne zur Verfügung zu stehen. Die Klägerin ist somit selbst im Rahmen des Grundstückserwerbs - gleichsam arbeitsteilig mit der Veräußererin des Grundstücks tätig geworden.

In dem "Hausauftrag" vom 07. November 2003 ist das Grundstück ebenfalls konkret bezeichnet. Auf dem Deckblatt der Baubeschreibung (Anlage 2 zum "Hausvertrag") ist das Grundstück ebenfalls bezeichnet. Aufgrund dieser Vielzahl von schriftlichen Anhaltspunkten steht fest, dass beide Parteien von der rechtlichen Verbundenheit des Haus- und des Grundstückskaufvertrages ausgegangen sind.

Jedenfalls aus objektiver Empfängersicht, die für die Auslegung des Vertragsinhaltes maßgeblich ist, mussten die Beklagten den ihnen unterbreiteten Hausvertrag aufgrund des Verhaltens der Klägerin dahin verstehen, dass sein Zustandekommen mit dem Zustandekommen des Grundstückskaufvertrages rechtlich eine Einheit bildet (vgl. hierzu: BGH NJW 1994, 721, 722).

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem "Hausvertrag" um einen Formularvertrag der Klägerin handeln dürfte. Dann aber bestehen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages auch im Hinblick auf § 307 BGB, weil die Klägerin formularmäßig mit Eigenheiminteressenten Bauverträge über von diesen noch zu erwerbende Grundstück abschließt, ohne die Möglichkeit einer Lösung vom Vertrag für den Fall vorzusehen, dass das ins Auge gefasste Grundstück von dem Bauinteressenten nicht erworben wird (vgl. noch zu § 9 AGBG: BGH NJW 1994, 721, 722).