Instanzgerichte Entscheidungen

Bauherrengünstige Auslegung von Finanzierungsvorbehalten

Im April 1989 hat der 26. Senat des Oberlandesgerichts Hamm folgende Entscheidung verkündet

Werden Bauverträge in Verbindung mit in Aussicht genommenem Grundstückserwerb abgeschlossen, ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob auf den Erwerber ein - sei es auch nur mittelbarer - Zwang zum Grundstückserwerb ausgeübt wird, der eine Beurkundung auch bereits des Bauvertrages nach § 313 Satz 1 BGB geboten erscheinen läßt.

OLG Hamm, 26 U 159/88, Urteil vom 14.04.1989

Tatbestand

Der Unternehmer nimmt die Bauherren auf Zahlung von 10 % des vereinbarten Werklohns für die geplante Errichtung eines Luxus- Landhauses zum Gesamtpreis von 221.000,-- DM (218.000,-- DM zuzüglich Mehrpreis für Ölheizung von 3.000,-- DM) in Anspruch. Die Parteien haben am 15. März 1987 einen "Bauauftrag" über den Bau "eines Luxus-Landhauses gemäß den umseitigen Auftragsbedingungen" zum Gesamtpreis von 218.000,-- DM unterzeichnet. Nach der Bau- und Leistungsbeschreibung vom selben Tagen sollte ein "Luxus- Landhaus 110 m2 Wfl. mit Knüppelwalmdach...." errichtet werden. Nach den "sonstigen Vereinbarungen" zum Vertrag sollten die "Vereinbarungen erst rechtskräftig" werden, wenn eine schriftliche Auftragsbestätigung erfolgte. In den "Allgemeinen Auftragsbedingungen" des Unternehmers ist festgelegt: "§ 1 Allgemeines 1. Der Auftrag wird durch schriftliche Bestätigung der 6 Gesellschaft angenommen. Die Unterschrift des Fachberaters gilt nicht als Auftragsannahme. 2. ...§ 7 Rücktritt 1. Tritt der Bauherr aus wichtigem Grund von dem Auftrag zurück und erkennt die Firma die Rücktrittserklärung an, so hat der Bauherr entweder an die Firma 10 %. der Auftragssumme ohne besonderen Nachweis zu zahlen oder die tatsächlich entstandenen Aufwendungen für Planung, Statik, Verkaufsprovision, Bauleitung und Handwerkerleistungen, sowie den nachgewiesenen entgangenen Gewinn zu zahlen.... Die Auswahl der Alternativen steht der Firma zu. 2. ..." Zur Frage der Finanzierung heißt es in der Auftragsbestätigung des 12 Klägers vom 16. März 1987 "Wir bestätigen diesen Auftrag unter der Voraussetzung, daß wir von ihrer Bank eine Finanzierungsbestätigung erhalten. Dieses setzt voraus, daß die Auszahlung gemäß unserem 14 Bauauftrag durch eine Zwischenfinanzierung abgesichert ist." Vor Abschluss des Bauvertrages hatte der Unternehmer den Bauherren einen Finanzierungsvorschlag unterbreitet, der eine monatliche Nettobelastung von 1.182,63 DM und 104,-- DM für den Bausparvertrag vorsah. Eine vom Zeugen xxx vorausgefüllte "Selbstauskunft" ist von dem Bauherren nicht ergänzt und auch nicht unterzeichnet worden. Sie enthielt als "monatliches Einkommen sämtlicher Antragsteller" 2 400,-- DM. Im weiteren übersandte der Unternehmer den Beklagten den Entwurf 16 eines notariellen Grundstückskaufvertrages des Notars xxx. Der Kaufpreis - 843 m2/65,-- DM/m2 = 54.795,-- DM - war unter Ziff. 2 in den "Finanzierungsvorschlag" eingesetzt worden. Zur Unterzeichnung des Vertrages kam es jedoch nicht mehr; die Bauherren erklärten dem Unternehmer am 5. April 1987, sie wollten das Bauvorhaben nicht durchführen. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Bauvertrag sei nicht zustande gekommen, weil die in der Auftragsbestätigung genannten (aufschiebenden) Bedingungen (Finanzierungsbestätigung/ Absicherung der Auszahlung durch eine Zwischenfinanzierung) nicht eingetreten seien, die Bauherren hätten den Eintritt der Bedingungen auch nicht treuwidrig im Sinne von § 162 BGB verhindert. Gegen dieses Urteil wendet sich der Unternehmer mit seiner Berufung, mit 18 der er im wesentlichen anführt, die Bauherren hätten den Eintritt der Bedingung treuwidrig verhindert, zudem sei der Bauvertrag auch nicht formnichtig.

Entscheidungsgründe

I.
Die zulässige Berufung des Unternehmers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

II.
Pauschaler Aufwendungsersatz nach § 7 der Allgemeinen Auftragsbedingungen steht dem Unternehmer schon deshalb nicht zu, weil es an einem wirksam geschlossenen Bauvertrag fehlt (1). Im übrigen haben die Bauherren- worauf das Landgericht zu Recht hinweist - auch nicht treuwidrig gehandelt (2).

1. Wirksamkeit des Bauvertrages
Der von den Parteien geschlossene Bauvertrag ("Bauauftrag") vom 15. März 1987 ist gemäß §§ 125 Satz 1, 313 Satz 1 BGB nichtig. Rechtsgeschäfte bedürfen grundsätzlich keiner Form, damit erleichtert das Gesetz den Rechtsverkehr und trägt den Gegebenheiten des modernen Güter- und Leistungsaustausches Rechnung (vgl. u.a. Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 48. Aufl. 1989, § 125 Anm. 1). Einschränkungen des Grundsatzes der Formfreiheit sind vom Gesetzgeber in der Regel dort vorgesehen, wo die Vertragsparteien wegen der Risiken des Geschäfts vor übereilten Bindungen geschützt werden sollen. So dient der Beurkundungszwang nach § 313 BGB dem Ziel, die Parteien auf die Bedeutung des Geschäfts hinzuweisen (Warnfunktion), sie vor leichtfertigen Grundstücksgeschäften zu schützen (Übereilungsschutz) und zugleich den Beweis der getroffenen Vereinbarung (Beweisfunktion) zu sichern (vgl. u.a. Soergel-Wolf, Kommentar zum BGB, 11. Aufl. 1986, Bd. 2/1, § 313 Rz 3; Palandt- Heinrichs, a.a.O., § 313 Anm. 1b). Auf dieser Grundlage liegt eine Erwerbsverpflichtung im Sinne von § 313 Satz 1 BGB auch dann vor, wenn die Entschließungsfreiheit eines Vertragspartners hinsichtlich des Erwerbs oder Nichterwerbs des Grundstücks nach dem Gesamtbild des Vertrages praktisch aufgehoben ist (BGHZ 76, 43, 45).
Werden Bauverträge in Verbindung mit in Aussicht genommenem Grundstückserwerb abgeschlossen, ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob auf den Erwerber ein - sei es auch nur mittelbarer - Zwang zum Grundstückserwerb ausgeübt wird, der eine Beurkundung auch bereits des Bauvertrages nach § 313 Satz 1 BGB geboten erscheinen läßt. Das ist nach Sinn und Zweck der Norm immer dann der Fall, wenn Bauvertrag und beabsichtigter Grundstückserwerb nach dem Willen der Vertragsparteien eine rechtliche, also nicht nur eine tatsächliche oder wirtschaftliche, Einheit bilden (BGHZ 78, 346, 348; BGHZ 76, 43, 45, 46; Ingenstau/Korbion, Kommentar zur VOB, 11. Aufl. 1989, Anhang VOB/A Rz. 232 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 78, 346, 349), der sich der Senat anschließt, stehen Bauvertrag und Grundstückserwerbsvertrag in rechtlichem Zusammenhang, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, daß sie miteinander "stehen und fallen" sollen. Schon dann, wenn nur eine der Vertragsparteien einen solchen Einheitswillen erkennen läßt und der andere Partner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt, kann ein einheitlicher Vertrag vorliegen, unabhängig davon, ob an jedem der Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind. Selbst die Niederlegung mehrerer selbständiger Verträge in verschiedenen Urkunden hindert die Annahme rechtlicher Einheit nicht, in derartigen Fällen besteht lediglich die widerlegbare Vermutung, daß die Verträge nicht in rechtlichem Zusammenhang stehen sollen.

Die im vorliegenden Fall zu würdigenden Umstände führen zur Annahme eines beurkundungsbedürftigen einheitlichen Rechtsgeschäfts. Zwar mag bei den hier getrennt abgeschlossenen Verträgen eine tatsachliche Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der jeweiligen Vereinbarungen sprechen, eine derartige Vermutung ist aber durch die besonderen Umstände des vorliegenden Falles widerlegt.
Der Verknüpfungswille der Parteien zeigt sich bereits daran, daß die Realisierung des Bauvertrages ohne Erwerb des bestimmten Grundstückes nicht möglich war. Der den Beklagten unterbreitete Finanzierungsvorschlag bezog ausdrücklich die Kosten des Grundstücks in die Finanzplanung ein, das die Beklagten nach den - vom Kläger übersandten - Entwurf eines "Grundstückskaufvertrags und Auflassung" erwerben sollten. Daraus folgt, daß der Kläger bereit war, dem Beklagten das für die Errichtung des Hauses erforderliche Grundstück - wenn auch über einen Dritten - zu verschaffen und daß die Parteien davon ausgegangen sind, daß die Beklagten Haus und Grundstück erwerben mußten, sollte der Bauvertrag realisiert werden können. Denn das zu erwerbende Grundstück durfte wegen der knappen Finanzdecke der Beklagten nicht zu teuer werden, und es mußten sämtliche Vorteile des Hausgrundstücks für die Finanzierung eingesetzt werden. Das hat der Kläger selbst in erster Instanz - mit seinem Schriftsatz vom 22. März 1988 - vorgetragen: "Dieser Vorschlag (eine Einliegerwohnung mit zu bauen, und die Finanzierung zu erleichtern) kam gerade von den Beklagten xxx. Es handelt sich um ein Grundstück mit Hanglage. Im Keller sollte eben die Einliegerwohnung gebaut werden ..." Seinen Versuch in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz, von diesem Vertrag abzuweichen, hält der Senat für mißlungen. Aus allem ist der Schluß zu ziehen, daß nach dem Willen beider Parteien Bauvertrag und beabsichtigter Grundstückserwerb "miteinander stehen und fallen" sollten. Sondervereinbarungen, die die rechtliche Selbständigkeit von Bauvertrag und Grundstückserwerbsvertrag begründen könnten, haben die Parteien nicht getroffen.

2.Keine treuwidrige Verhinderung des Bedingungseintritts
Das Landgericht hat bei der Abweisung der Klage nicht die Formnichtigkeit des Vertrages in den Vordergrund gestellt, es hat vielmehr darauf abgehoben, daß der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung gelungener Finanzierung geschlossen sei und daß die Beklagten den Eintritt dieser Bedingung nicht treuwidrig im Sinne von § 162 BGB verhindert hätten. Dem ist zuzustimmen.
Wird der Eintritt einer Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten (§ 162 Abs. I BGB). Die Parteien eines bedingten Rechtsgeschäfts sind zwar nicht verpflichtet, sich um den Eintritt der Bedingung zu bemühen, sie dürfen aber während des Schwebezustandes nicht in einer gegenüber dem anderen Partner treuwidrigen Weise in den Lauf der Dinge zu ihren Gunsten gestaltend eingreifen(u.a. BGHZ 29, 171, 175; Soergel-Wolf, Kommentar zum BGB, 12. Aufl. 1987, Allgemeiner Teil, § 162 Rz. 1). Das treuwidrige Verhalten eines Vertragspartners wird dann dadurch sanktioniert, daß der Bedingungseintritt fingiert wird. Ob eine Partei in den Lauf der für den Bedingungseintritt maßgebenden Ereignisse treuwidrig eingegriffen hat, ist nur in objektiver Würdigung ihres Gesamtverhaltens nach Anlaß, Zweck und Beweggrund unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unter Einbeziehung auch der subjektiven Einstellung feststellbar. Unter Berücksichtigung dieser Umstände haben die Beklagten nicht treuwidrig im Sinne von § 162 BGB gehandelt. Die Beklagten haben hier nicht mutwillig eine ins Auge gefaßte Finanzierung verhindert, sie haben lediglich bei realistischer Betrachtung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu der zutreffenden Feststellung gefunden, daß der von ihnen ins Auge gefaßte Hausbau für sie nicht finanzierbar war. Zwar mag es durchaus zutreffen, daß die Beklagten mit Hilfe des Klägers trotz ihrer bescheidenen Einkünfte von 2.400,-- DM monatlich netto (Bl. 37 R GA) einen Kreditgeber für die hoch benötigten 245.595,-- DM (Finanzierungsvorschlag Bl. 34 GA) gefunden hätten. Dies hätte aber zu einer für die Beklagten untragbaren und damit unzumutbaren monatlichen Belastung von 1.432,63 DM vor Abzug der Abschreibung nach § 7b ESTG geführt und hätte bei der Übernahme derartiger Belastungen, zu denen weitere noch nicht erfaßte zusätzliche Aufwendungen gehörten (höhere Nebenkosten im eigenen Haus) absehbar zum späteren finanziellen Ruin der Beklagten geführt. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, daß sich die beklagten Eheleute ein Kind wünschten und die Ehefrau nach der Geburt des Kindes nicht mehr "mitarbeiten" wollte. Zudem sich die Beklagten zu einem derartig unvernünftigen Finanzgebaren nicht entschließen konnten, haben sie nur den naheliegenden und gebotenen Schluß gezogen, daß sie sich ein für sie derart aufwendiges Objekt wirtschaftlich nicht leisten konnten, ein treuwidriges Verhalten kann darin nicht gesehen werden.