Instanzgerichte Entscheidungen


Hinweispflicht des Unternehmers bei noch nicht vorhandenem Grundstück und Finanzierung


Im September 2001 hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle folgende Entscheidung verkündet:

Ist dem Bauunternehmer bei Abschluss eines Hausbauvertrags bekannt, dass kein Baugrundstück vorhanden und auch die Finanzierung des Gesamtbauvorhabens noch offen ist, muss er einen erkennbar geschäftsunerfahrenen Vertragspartner darauf hinweisen, dass der Bauvertrag unabhängig vom Erwerb des Grundstücks und der Finanzierbarkeit wirksam ist. Wird dieser Hinweis schuldhaft unterlassen, haftet der Bauunternehmer nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss auf Schadensersatz, was dazu führt, dass der Bauunternehmer gehindert ist, den nach Kündigung des Hausbauvertrags entstandenen Vergütungsanspruch durchzusetzen.

OLG Celle, Urteil vom 06.09.2001 - 14 U 257/00, BGH 13.03.2003 (Az.: VII ZR 337/01)

Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechte der Klägerin aus einem mit den Beklagten geschlossenen Hausbauvertrag, dessen Durchführung gescheitert ist.
Die Klägerin bietet die Errichtung von Massivhäusern für Bauwillige an. Vertreten durch ihren Provisionsvertreter V. schloss sie am 16./17. Juli 1998 mit den Beklagten einen sog. Hausvertrag ab über die Errichtung eines Massivhauses des Typs "R." zu einem garantierten Festpreis (bei Baubeginn bis zum 15. Januar 1999) von 349.800 DM (inkl. 16 % MWSt.). Danach hatten die Beklagten ein baureifes Grundstück zur Verfügung zu stellen und sich selbst um die Finanzierung zu kümmern. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages, der Vertragsbedingungen und der Bau- und Leistungsbeschreibung wird auf die bei den Akten befindlichen Ablichtungen Bezug genommen.

Nachdem die Beklagten auf Vorschlag V. die Finanzberatung wegen der Finanzierung des Bauvorhabens konsultiert hatten, stellte sich noch im Juli 1998 heraus, dass das Vorhaben für die Beklagten nicht finanzierbar war. Die Beklagten erwarben weder ein Grundstück noch kam es zum Bau des Hauses.

Mit Anwaltsschreiben vom 16. März 1999 teilten die Beklagten der Klägerin das Scheitern ihrer Finanzierungsbemühungen mit. Gleichzeitig fochten sie den mit der Klägerin geschlossenen Hausvertrag vom 16.117. Juli1998 wegen arglistiger Täuschung durch den Provisionsvertreter V. an.

Die Beklagten sind der Klageforderung mit der Behauptung entgegengetreten, dass V. ihnen vor Vertragsabschluss erklärt habe, die Finanzierung sei kein Problem, obwohl sie ihm wahrheitsgemäß gesagt hätten, dass nur ein Bausparguthaben über 68.000 DM vorhanden sei und das Monatseinkommen des Beklagten zu 13.200 DM betrage. V. habe ihnen ferner gesagt, dass es zur Sicherung eines günstigen Kaufpreises für das Haus unbedingt erforderlich sei; den Kaufvertrag schon am 16. Juli 1998 abzuschließen. Beide Parteien seien bei Abschluss des Hausvertrages davon ausgegangen, dass sich das Bauvorhaben finanzieren Lasse. Daher haben sich die Beklagten hilfsweise auch auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.

Die Klägerin hat diesen Vortrag der Beklagten bestritten. V. habe die Beklagten nicht durch Hinweis auf einen günstigen Kaufpreis zum Abschluss des Vertrages gedrängt. Die Finanzierung des Bauvorhabens sei allein Sache der Beklagten gewesen. Im Übrigen hätten diese V. gegenüber vor Abschluss des Vertrages erklärt, sie verfügten über 140.000 DM Eigenkapital und der Beklagte zu 1 über ein monatliches Nettoeinkommen von 7.000 DM. Angesichts dieser Angaben habe V. die Finanzierung für möglich gehalten und verschiedene Finanzierungsinstitute empfohlen.

Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung des Provisionsvertreters der Klägerin V. und des Geschäftsführers der K. Finanzierung in vollem Umfang stattgegeben. Es hat weder die Anfechtung des Vertrages durch die Beklagten wegen arglistiger Täuschung durchgreifen lassen noch eine Auflösbarkeit des Vertrages nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angenommen. Der Hausvertrag sei auch nicht unter der (auflösenden oder aufschiebenden) Bedingung der Finanzierbarkeit des Bauvorhabens geschlossen worden. Der. Höhe nach hat das Landgericht den von der, Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch ebenfalls für in vollem Umfang gerechtfertigt erachtet.

Gegen, dieses, Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Die Beklagten machen dem Zeugen V. nunmehr in erster Linie zum Vorwurf, dass er als Erfüllungsgehilfe der Klägerin mit ihnen den Hausvertrag abgeschlossen habe, obwohl festgestanden habe, dass sie - die Beklagten - nicht über ein Grundstück verfügt -hätten und auch die Finanzierung des Bauvorhabens nicht gesichert gewesen sei, Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Klägerin bzw. V. nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, sie - die Beklagten - darauf hinzuweisen, dass der Hausvertrag isoliert wirksam sei, auch wenn sie kein Grundstück erwürben und sich das Bauvorhaben als nicht finanzierbar herausstellen sollte: Bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch V. hätten sie den isolierten Hausvertrag nicht abgeschlossen. Einem etwaigen Vergütungsanspruch der Klägerin aus §§ 631, 649 Satz 2 BGB könnten sie daher einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo in gleicher Höhe entgegenhalten; sodass sich die Klage als unbegründet erweise.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt zum Berufungsvorbringen der Beklagten aus, dass diese auf den Zeugen V. einen geschäftserfahrenen Eindruck gemacht hätten, sodass er keine Veranlassung gehabt habe, etwa gegen ihre - der Klägerin - Interessen von dem Abschluss eines Hauskaufvertrages abzuraten, solange ein Grundstückskaufvertrag nicht abgeschlossen gewesen sei und auch die Finanzierbarkeit des Bauvorhabens nicht festgestanden habe. Die Grundstücks- und Finanzierungsvermittlung sei ohnehin nicht V. Sache gewesen.

Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der gegen sie gerichteten Klage.
Die Klägerin kann keinen Vergütungsanspruch nach §§ 631, 649 Satz 2 BGB mit Erfolg gegenüber den Beklagten geltend machen, weil dieser Forderung ein Schadensersatzanspruch der Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluss in gleicher Höhe entgegensteht
. Dadurch, dass der Provisionsvertreter der Klägerin V. die Beklagten nicht darüber aufgeklärt hat, dass der Hausbauvertrag unabhängig vom Erwerb eines Grundstücks und von der Finanzierbarkeit des gesamten Bauvorhabens wirksam war, steht diesen ein Schadensersatzanspruch zu, sodass die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert ist, den Vergütungsanspruch gegenüber den Beklagten mit Erfolg durchzusetzen, der ihr nach der Kündigung des Hausvertrages durch diese, die in deren Anwaltsschreiben vom 16. März 1999 jedenfalls zu erblicken ist, grundsätzlich zusteht.

Im Einzeln:
1. Eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung kommt nach den Grundsätzen der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss dann in Betracht, wenn der eine Vertragspartner pflichtwidrig auf die Willensbildung des anderen einwirkt. Dies ist anzunehmen, wenn der eine Teil dem anderen unrichtige oder unvollständige Informationen gibt. Das Verschweigen von Tatsachen begründet dabei dann eine Haftung, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten darf (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 276 Rn. 78). Zwar braucht ein Vertragspartner den anderen grundsätzlich nicht darüber zu informieren, welche Rechtsfolgen seine Willenserklärungen auslösen und dass unterzeichnete Verträge bindend sind. Eine Ausnahme hiervon ist aber dann zu machen, wenn der Vertragspartner nach Treu und Glauben Aufklärung über wesentliche Aspekte für den Abschluss des Vertrages erwarten darf.
So liegt der Fall hier.
Unter den gegebenen Umständen hätte der Provisionsvertreter der Klägerin V. die Beklagten jedenfalls vor dem Abschluss des Hausvertrages darauf hinweisen müssen, dass dieser auch unabhängig vom Erwerb eines Grundstücks und unabhängig von der Finanzierbarkeit des gesamten Bauvorhabens Wirksamkeit erlangen würde. Dies hat V. jedoch unstreitig nicht getan, obwohl ihm zum Zeitpunkt des Abschlusses des Hausvertrag en am 16./17. Juli 1998 bekannt war, dass die Beklagten noch kein Grundstück, auf dem sie das von ihnen ausgesuchte Massivhaus des Typs "R." errichten konnten, in Aussicht hatten, geschweige denn, dass über ein solches Grundstück bereits ein Grundstückskaufvertrag abgeschlossen worden war. Unter diesen Umständen stand zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der Gesamtumfang des Bauvorhabens, das es zu finanzieren galt; noch in keiner Weise fest. Der in dem Hausvertrag vereinbarte "Festpreis" von 349.800 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) war nur eine - wenn auch sicherlich die größte - der von den Beklagten zu finanzierenden Positionen. Hinzu kam jedenfalls noch der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unbekannte Kaufpreis für das noch nicht erworbene Grundstück (zuzüglich Nebelkosten wie Notargebühren und Grunderwerbssteuer). Die von den Beklagten zu finanzierenden Gesamtkosten konnten sich je nach Beschaffenheit und Lage des noch zu beschaffenden Grundstücks darüber hinaus noch um weitere Positionen erhöhen, die in der Anmerkung" zu der in den Vertrag einbezogenen Bau- und Leistungsbeschreibung erwähnt werden.

Abgesehen von den unter den Stichworten "Anschlußkosten" und "Außenanlagen" erwähnten Aufwendungen, die in jedem Fall zusätzlich zu finanzieren waren, gab es auch sonst - wie aus der Aufstellung zwanglos folgt - Positionen, die je nach der Beschaffenheit des noch nicht erworbenen Grundstücks finanziell ganz erheblich zu Buche schlagen konnten: Es waren daher keineswegs nicht nur die in dem Hausvertrag als "Festpreis" vereinbarten 349.800 DM zu finanzieren, sondern ein erheblich höherer Betrag, der durchaus dis, Größenordnung von ca. 500.000 DM erreichen wenn nicht gar überschreiten konnte. Dies war für den Zeugen V. der als Vertreter der Klägerin mit der Handhabung von deren Hausvertrag en vertraut war, im Gegensatz zu den Beklagten, bei denen es sich auch nach dem Eindruck, den der Senat von ihnen in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, um wenig geschäftserfahrene aus Polen stammende Personen handelt, durchaus erkennbar. Wenn den Beklagten unter diesen Umständen - wie die Klägerin auf Seite 3 der Klageschrift selbst dargelegt hat - gesagt hat, dass eine Finanzierung möglich sei, so handelt es sich hierbei um eine Erklärung "ins Blaue hinein". Angesichts des zu finanzierenden Gesamtvolumens gilt dies selbst dann, wenn der Beklagte zu den Zeugen V.- wie dieser bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung in erster Instanz bekundet hat - tatsächlich erklärt haben sollte, dass er über Eigenkapital in Höhe von 140.000 DM verfüge. Denn wie V. weiter angegeben hat, verdiente der Beklagte zu 1 als Teppichbodenverleger nach seinen Angaben monatlich lediglich ca. 3.500 DM. Auch wenn der Beklagte zu 1 weiter angegeben haben sollte, dass er zusätzlich noch monatlich ca. 3.500 DM durch Feierabend- und Wochenendarbeit verdiente, so war auch V. klar, dass es sich hierbei um keine gesicherte Einnahmequelle handelte. Irgendwelche Unterlagen über die finanziellen Verhältnisse der Beklagten hat V- wie er selbst bekundet hat - nie zu Gesicht bekommen. Unter diesen Umständen hätte sich V, bei dem es sich um keinen Finanzierungsfachmann handelt, jeglicher Äußerung zur Finanzierbarkeit des von den Beklagten beabsichtigten Bauvorhabens enthalten müssen. Jedenfalls hätte er sie aber bei der gegebenen Sachtage beim Abschluss des, Hausvertrages auf dessen von der Finanzierbarkeit des Vorhabens unabhängige Wirksamkeit hinweisen bzw. die Empfehlung aussprechen müssen, die Unterzeichnung des Hausvertrages noch so lange aufzuschieben, bis die Finanzierung "stand". Dass es etwa die Beklagten waren, die Mitte Juli 1998 bereits vordem Erwerb eines geeigneten Grundstücks und der Klärung der Finanzierbarkeit des Bauvorhabens auf den Abschluss des Hausvertrages gedrängt hätten, behauptet die Klägerin selbst nicht.


2. Der Zeuge V. ist auch schuldhaft, d. h. zumindest fahrlässig, seiner Aufklärungspflicht gegenüber den Beklagten nicht -nachgekommen. Für ihn war - wie oben bereits dargelegt - im Gegensatz zu den geschäftlich wenig erfahrenen aus Polen stammenden Beklagten der mögliche - wenn nicht gar voraussichtliche - Umfang des Gesamtfinanzierungsvolumen durchaus erkennbar. Er hätte daher, auch wenn man von den Angaben des Beklagten zu 1 zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgeht, wie der Zeuge sie bei seiner Vernehmung durch das Landgericht bekundet hat, jedenfalls mit Schwierigkeiten bei der Finanzierung rechnen müssen und die Beklagten vor der Unterzeichnung des Hausvertrages am 16. Juli 1998 in der oben beschriebenen Weise warnen oder eine Finanzierungsvorbehaltsklausel in den Vertrag aufnehmen müssen. Immerhin geschieht letzteres - wie der Zeuge B. dem gegen ihn und V. gerichteten Ermittlungsverfahren 601 Js 1967/01 Staatsanwaltschaft Hannover bei seiner Vernehmung als Beschuldigter angegeben hat - bei ca. 50 % der von V. vermittelten Hausverträge. Wie der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, ist ihm diese Aussage bekannt. Angesichts dieser in Zweifelsfällen sonst durchaus üblichen Handhabung durch V. ist es umso weniger verständlich, dass er in den hier zu beurteilenden Hausvertrag keine derartige Finanzierungsvorbehaltsklausel aufgenommen hat.

3. Die Klägerin muss sich die Pflichtverletzung des Zeugen nach § 278 BGB als eigene zurechnen lassen, weil sie sich seiner Person als Erfüllungsgehilfen bedient hat. V. ist kein Makler bzw. neutraler Dritter, sondern hat als Vertreter erfolgsabhängig arid auf Provisionsbasis im Interesse der Klägerin gehandelt.

4. Rechtsfolge des Verhaltens des Provisionsvertreters V. ist, dass die Beklagten einen Anspruch darauf haben, so gestellt zu werden, wie sie ohne sein schädigendes Verhalten gestanden hätten. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätten die Beklagten den Hausvertrag nur unter einem Finanzierungsvorbehalt oder bis zur Klärung der Finanzierungsfrage überhaupt nicht abgeschlossen. Nach der Lebenserfahrung ist nämlich zu vermuten, dass sie sich "aufklärungsrichtig" verhalten hätten- Dass die Beklagten den Hausvertrag auch bei gehöriger Aufklärung bereits am 16. Juli 1998 unterzeichnet hätten, wird weder von der Klägerin behauptet noch ist dies sonst ersichtlich.

5. Nach alledem ist davon auszugehen, dass sich die Beklagten dem mit der Klage geltend gemachten Vergütungsanspruch der Klägerin nicht ausgesetzt sähen, wenn V. sie als deren - der Klägerin -Vertreter pflichtgemäß beraten hätte. Dies hat weiter zur Folge, dass den Beklagten wegen der nicht ordnungsgemäßen Aufklärung durch V. ein Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe aus Verschulden bei Vertragsschluss zusteht, sodass die Klägerin nach Treu und Glauben gehindert ist, ihre Forderung aus §§ 631, 649 Satz 2 BGB durchzusetzen. Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil daher abzuändern und die Klage abzuweisen.